Pferdewesen
30.06.2015 Wissenschaftler der Vetmeduni in Wien haben untersucht, ob Pferde durch das Geschlecht ihrer Reiter beeinflusst werden. Können Pferde einen Unterschied feststellen, wenn ein Mann oder eine Frau im Sattel sitzt?
Verschiedene Stressparameter wurden in Pferden und ihren Reitern bestimmt, als sie einen Parcours sprangen. Die Ergebnisse waren überraschend und im „Journal of Comparative Exercise Physiology“ veröffentlicht.
Seit Jahrhunderten war Reiten weitgehend auf Männer beschränkt. Heutzutage ist die Situation eine völlig andere: fast 80 Prozent der Reiter sind Frauen.
Es ist ungewöhnlich im Sport, dass Männer und Frauen direkt auf allen Ebenen miteinander konkurrieren, vom Anfänger bis zu internationalen Championaten und bei den Olympischen Spielen – im modernen Pferdesport ist dies üblich.
„Aus diesem Grund ist es interessant zu untersuchen, ob eine Theorie des Reitens, die ausschließlich für Männer entwickelt wurde, auch bei Frauen angewendet werden kann“, sagte die leitende Autorin Natascha Ille.
Reiter ist Reiter – egal ob Mann oder Frau
Frau Ille stellt fest: „Es wird oft angenommen, dass Frauen ihren Pferden gegenüber sensibler sind als Männer. Wenn dies so ist, sollten männliche und weibliche Reiter verschiedene Arten von Reaktionen bei ihren Pferden hervorrufen“. Ille, Christine Aurich und Kollegen von der Vetmeduni Wiener Graf Lehndorff Institut haben diese Idee getestet bzw. untersucht; mit acht Pferden und sechzehn Reitern (acht Männer und acht Frauen). Jedes Pferd ist einen Standardparcours zweimal gesprungen, einmal mit einem Mann im Sattel und einmal mit einer Frau, beide hatten ähnliche Reiterfahrungen. Die Wissenschaftler überwachten die Belastungen bei Pferd und Reiter, sie überprüften die Mengen an Cortisol im Speichel und die Herzfrequenz.
Die Ergebnisse waren überraschend. Das Cortisol-Niveau im Speichel der Pferde erhöhte sich während des Tests, aber der Anstieg war nicht durch das Geschlecht des Reiters beeinflusst. Die Herzraten der Pferde erhöhten sich ebenfalls während des Parcours, allerdings war der Anstieg unabhängig vom menschlichen Partner im Sattel.
Die Tests der Reiter ergaben ähnliche Schlussfolgerungen. Auch das Cortisol-Niveau war im Speichel erhöht, jedoch gab es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Der Puls des Reiters beschleunigte, wenn die Pferde vom Schritt in den Galopp wechselten und beschleunigte sich weiter im Parcours. Die Herzfrequenzkurven für Männer und Frauen waren beinahe identisch.
Die Stress-Belastung des Pferdes ist unabhängig davon, ob ein Mann oder eine Frau im Sattel sitzt. Darüber hinaus sind die Stressreaktionen von männlichen und weiblichen Reitern im Wesentlichen gleich.
Die Verteilung des Satteldrucks bei männlichen und weiblichen Reitern
In einem zweiten Experiment haben Ille und ihre Kollegen den ausgeübten Druck des Sattels auf den Pferderücken untersucht. Sie erklärt: „Je nach Körperhaltung und Position des Reiters kann sich das Druckmuster auf den Rücken des Pferdes dramatisch verändern.“ Es wurde eine spezielle Unterlage direkt unter den Sattel gelegt, um den Satteldruck im Schritt, Trab und Galopp zu analysieren. Da weibliche Reiter in der Regel leichter sind als Männer, war der Satteldruck niedriger, wenn Pferde von Frauen geritten wurden. Allerdings hat sich die Druckverteilung nicht unterschieden und es gab keine Hinweise auf Unterschiede in der Reiterposition zwischen Männern und Frauen.
Die Chancen sind für alle gleich
Also, was bedeutet das alles für den heutigen Pferdesport? Aurich will damit den Wettbewerbern versichern, dass Pferde wirklich geschlechtsneutral reagieren. Wie sie sagt: „Unter der Annahme, dass es keinen Unterschied in den reiterlichen Fähigkeiten gibt, spielt es aus Sicht des Pferdes keine Rolle, ob der menschliche Partner männlich oder weiblich ist. Unsere Ergebnisse machen es äußerst unwahrscheinlich, dass Pferde eine Vorliebe für Reiter eines Geschlechts haben. Und wenn männliche und weibliche Reiter im Pferdesport gegeneinander antreten, haben alle von ihnen ähnlich gute Chancen.“ (siehe auch Sozialverhalten zwischen Mensch und Pferd)
Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien