Rolex Interview mit Daniel Deusser
29.08.2023 Herzlichen Glückwunsch zu einem weiteren tollen Ergebnis beim CHIO Aachen – wie zufrieden waren Sie mit der Leistung von Killer Queen VDM?
Ich war unglaublich zufrieden mit der Leistung von Killer Queen VDM. Der Rolex Grand Prix des CHIO Aachen ist eines der größten Prüfungen der Welt. Über viele Jahre hinweg hat mir Killer Queen schon gezeigt, dass sie bei allen Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping sehr gut sein kann, insbesondere in Aachen. Vor zwei Jahren war sie Siegerin in Aachen (2021), letztes Jahr wurde sie dort Vierte (2022) und dieses Jahr wieder Zweite – mehr hätte ich mir nicht wünschen können! Natürlich hätte ich in diesem Jahr etwas schneller reiten können, um zu gewinnen, aber ich glaube, wir haben im Stechen trotzdem viel Druck auf die anderen Reiter ausgeübt, und Killer Queen hat an diesem Tag ihr absolut Bestes gegeben.
Wie fühlt es sich für Sie an, als Vorjahressieger wieder beim CSIO Spruce Meadows ‚Masters‘ Turnier anzutreten?
Ich freue mich darauf. Vor 2022 war ich schon ein paar Jahre nicht mehr beim CSIO Spruce Meadows ‚Masters‘ am Start, weil ich dachte, ich hätte nicht das richtige Pferd dafür. Selbstverständlich wollte ich im vergangenen Jahr gut abschneiden, aber ich bin nicht mit der Erwartung nach Spruce Meadows gefahren, den CPKC ‚International‘, presented by Rolex, zu gewinnen. Aber Killer Queen war auf dem Platz wirklich gut drauf, sie mag den großen Grasplatz und sprang gut genug, um den Sieg zu holen. In diesem Jahr reise ich also hoffnungsvoll und mit einer Portion Zuversicht nach Spruce Meadows, zumal sie dieses Jahr in Aachen schon sehr gut gesprungen ist. Aber natürlich kann ich mich nicht darauf verlassen oder erwarten, dass es gut läuft, nur weil das die letzten paar Jahre so war, aber zumindest mag Killer Queen den Platz in Calgary, und sie war schon einmal dort. Ich glaube, sie ist im Moment in guter Form, und ich freue mich sehr darauf, wieder in Spruce Meadows mit dabei zu sein.
Könnten Sie uns vielleicht ein wenig darüber erzählen, wie die Reise von den Pferden zu internationalen Turnieren wie Spruce Meadows abläuft? Wie stellen Sie sicher, dass die Pferde in bestmöglichem Zustand ankommen und bereit für den Wettkampf sind?
Die meisten Pferde fliegen zu solchen Veranstaltungen und werden dabei in „Containern“ transportiert. Dabei handelt es sich im Prinzip um doppelte Boxenställe, also eine ähnliche Umgebung, wie sie die Pferde gewohnt sind, wenn sie hier in Europa per LKW von Turnier zu Turnier reisen. Auch wenn die Reise im Vergleich zu den näher gelegenen Turnieren etwas länger ist, hatten wir im Flugzeug noch nie ein Problem mit den Pferden. Es ist ruhiger und die Pferde können sich in der größeren Stallbox besser entspannen, entweder im Stehen oder im Liegen, und so ist die Reise für sie keine große Sache. Der Transport in der Luft ist für die Pferde zudem ein bisschen sanfter als der Transport per LKW.
Außerdem lasse ich meinen Pferdepfleger Sean Lynch jedes Mal mit den Pferden mitreisen. Er kennt die Pferde in- und auswendig – er verbringt mehr Zeit mit ihnen als ich, und daher mache ich mir eigentlich wegen der Reise nach Spruce Meadows überhaupt keine Sorgen. Ich weiß, dass Sean alles unter Kontrolle hat und die Fluggesellschaft kümmert sich wirklich gut um die Pferde.
Der Parcours dort wird oft als einer der schwierigsten in diesem Sport angesehen. Wie bereiten Sie sich und Ihr Pferd auf die Aufgabe vor?
Ganz ehrlich, man kann niemals zu 100 Prozent vorbereitet sein. Spruce Meadows ist anders, weil die Sprünge etwas altmodisch sind, in dem Sinne, dass wir in Europa eher schmale Sprünge springen, die maximal drei Meter breit sind, während in Spruce Meadows viele der Hindernisse fünf oder sechs Meter breit sind. Das bedeutet, dass das Pferd beim Anreiten eines Sprungs durch die Kombination aus der Höhe der Hindernisse und der Breite der Fangständer einen völlig anderen Eindruck erhält.
Viele der Turniere in Europa finden auf kleineren Sandplätzen statt, während Spruce Meadows ein großer Grasplatz ist, was für die Pferde eine gänzlich andere Situation darstellt. In den letzten Jahren hat Spruce Meadows zwar ein oder zwei neue Sprünge gekauft, aber die Hindernisse sind schon etwas alt, denn manche der Hindernisse, die auch heute noch gesprungen werden, stehen schon seit 20 Jahren dort. Das sind sehr imposante Sprünge. Der Parcoursdesigner von Spruce Meadows, Leopoldo Palacios, kennt den Platz wie seine Westentasche. Er weiß genau, was die Pferde ablenken kann und was schwierig zu springen ist. Er hat auch ein paar Natursprünge eingebaut, die man auch nicht mehr bei vielen Turnieren sieht, wie zum Beispiel einen doppelten Wassergraben. Das macht das Gesamtpaket von Spruce Meadows zu etwas ganz Besonderem, denn so etwas gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.
Wie wichtig ist Ihr weiteres Team, z. B. Pfleger, Tierärzte usw. für Ihren Erfolg?
Im Hinblick auf Erfolg ist meiner Meinung nach das gesamte Team genauso wichtig wie der Reiter oder das Pferd. Natürlich muss man ein sehr guter Reiter sein und eine ausgezeichnete Beziehung zu einem Qualitätspferd haben. Aber genauso wichtig ist es, ein starkes Team hinter sich zu haben – ein Team, das sich zu Hause um die Pferde kümmert, einen Pferdepfleger, der die Pferde ganz genau kennt, so dass er schon bei den kleinsten Anzeichen von ungewöhnlichem Verhalten weiß, wo das Problem liegen könnte. Alles zusammen betrachtet, finde ich es sehr schwierig zu sagen, wer denn nun am wichtigsten ist. Aber ein starkes Team zu haben, zu dem Pferdepfleger, Tierärzte, Physiotherapeuten gehören, aber auch jemand, der die Pferde reitet und sie trainiert, wenn ich auf Turnieren unterwegs bin. Das ist immens wichtig. Um erfolgreich zu sein, braucht man also das komplette Paket, und ich habe da Glück, weil mein Team wirklich super ist.
Was sind Ihrer Meinung nach die Eigenschaften, die ein Pferd und ein Reiter mitbringen müssen, um ein Major zu gewinnen?
Zunächst einmal muss ein Pferd in der Lage sein, über die hohen Sprünge zu springen. Wir haben viele Turniere während des Jahres, bei den meisten finden die Prüfungen bis 1,60 m an einem Sonntag gegen Ende der Veranstaltung statt. Die vier Majors sind allerdings die hochkarätigsten Prüfungen der Welt, so dass die Hindernisse oft ein Loch höher und somit eine Höhe von 1,65 m haben, und die Sprünge sind auch etwas tiefer als bei allen anderen Turnieren. Um ein Major zu gewinnen, muss man selbst und auch das Pferd ein gewisses Level an Erfahrung haben. Ich fände es sehr ungewöhnlich, wenn ein Reiter mit einem neuen oder sehr jungen Pferd eines der Majors gewinnen würde. Außer der Erfahrung braucht man noch ein Pferd mit viel Kraft, denn die Majors bestehen immer aus zwei oder drei Umläufen und im Stechen muss man dann noch einmal mehr Gas geben können. Die Kommunikation zwischen Pferd und Reiter muss sehr gut eingespielt sein, was im Laufe der Zeit mit der Erfahrung kommt.
Der Rolex Grand Slam of Show Jumping feiert sein 10-jähriges Bestehen. Welchen Einfluss hat diese Initiative in den letzten 10 Jahren auf den Sport gehabt?
Meiner Meinung nach hat der Rolex Grand Slam of Show Jumping den Sport völlig verändert. Dies ist eine Turnierserie, auf die sich alle freuen, und eine Serie, die Reiter bei ihrer Jahresplanung in den Fokus stellen, damit sie an den vier Majors teilnehmen können. Durch den extra Bonus, den man gewinnen kann, wird er zur prestigeträchtigsten Serie des Jahres. Die Tatsache, dass in den letzten 10 Jahren nur ein einziger Reiter den Rolex Grand Slam of Show Jumping gewonnen hat, durch Siege bei drei Majors in Folge, beweist, wie schwer diese Aufgabe ist. Das gibt den anderen Reitern viel Motivation, ebenfalls zu versuchen, sich den Sieg zu holen.
Der Reitsportkalender ist sehr voll! Wie entscheiden Sie, an welchen Veranstaltungen Sie teilnehmen und mit welchen Pferden Sie dort starten?
Das kommt mit der Erfahrung und hängt von den Zielen ab, die man verfolgt. Dieses Jahr zum Beispiel findet eine Woche vor Spruce Meadows die Europameisterschaft statt. Ich habe mich entschieden, nach Spruce Meadows zu reisen, weil es ein großes Ziel von mir ist, noch einmal in Calgary zu gewinnen und auch zu versuchen, den Rolex Grand Slam of Show Jumping für mich zu entscheiden. Ein paar Mal war ich schon kurz davor, ihn zu gewinnen, denn ich habe schon zwei Majors in Folge gewonnen, aber bisher fehlten einfach noch ein paar kleine Puzzleteile. Zum Beispiel als ich im Stechen bei der Startfolge zu früh dran oder zu langsam war, aber ich bin hochmotiviert, mir den Sieg beim Rolex Grand Slam of Show Jumping zu holen, vor allem mit Pferden wie Killer Queen VDM oder Scuderia 1918 Tobago Z. Schon am Anfang des Jahres war klar, dass ich dieses Jahr meine Energie auf Spruce Meadows richten möchte.
Der Rolex Grand Slam of Show Jumping bietet in einem jeden Major immer zwei jungen Reitern die Chance, anzutreten. Wie wichtig ist das für die Inspiration der nächsten Generation von Spitzenreitern?
Sehr wichtig. Die Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping stellen die Höhepunkte unseres Sports dar, und selbst wenn man nicht gleich ein Major gewinnt, kann man eine Menge Erfahrung sammeln und auch viel von den anderen Teilnehmern lernen. Ich konnte als junger Reiter nicht an diesen Wettbewerben teilnehmen. Daher kann ich nur von meiner Erfahrung sprechen, und die ist: je älter wir werden, desto mehr lernen wir über Pferde. Je älter wir werden, desto mehr lernen wir über den Sport und darüber, wie man ein Pferd aufbauen und zu einem besseren Athleten machen kann. Ich finde es in dieser Hinsicht daher wichtig, so oft wie möglich an diesen Turnieren teilzunehmen – ich habe jedenfalls eine Menge davon gelernt.
Springreiten ist eine der wenigen Sportarten weltweit, bei denen Männer und Frauen gegeneinander antreten. Wie besonders ist das?
Ich finde, der Sport wird dadurch noch interessanter, denn als Springreiter hat man durch das Geschlecht weder einen Vorteil noch einen Nachteil. Jeder Springreiter kann eine Bindung zu seinem Pferd aufbauen und es trainieren. Ein echter Vorteil lässt sich nur durch Erfahrung erlangen, aber es kommt nicht darauf an, ob der Reiter eine Frau oder ein Mann ist – es ist ein gleichberechtigtes Spiel, und die Tatsache, dass wir alle gemeinsam daran teilnehmen können, ist etwas ganz Besonderes. Es ist ein wirklich schöner Sport.
Wie Wimbledon im Tennis und das Masters im Golf ist Spruce Meadows ein Major. Was ist das Besondere an den Majors im Sport und warum sind sie so wichtig? Können Sie die Ähnlichkeiten zwischen den Majors im Tennis und Golf und den Majors im Springreiten beschreiben?
Ich war noch nie bei einem der Golf Majors, aber in den letzten zwei Jahren war ich bei den French Open. Die Atmosphäre bei den French Open lässt sich nur schwer beschreiben, wenn man noch nie dort war, aber es bringt einen dazu, über die Unterschiede zwischen Springreiten und Tennis nachzudenken und wie man die beiden Sportarten vergleichen kann. Natürlich gibt es Unterschiede, denn bei einem Tennisspiel geht es immer um zwei oder vier Spieler und das Publikum unterstützt entweder den einen oder den anderen. Beim Springreiten hingegen treten viele Teilnehmer an, bei einem Major normalerweise etwa 40. Jedem davon steht nur eine kurze Zeit auf dem Platz zur Verfügung, vielleicht zweieinhalb oder drei Minuten. Im Gegensatz dazu hat ein Tennisspieler vielleicht zwei oder drei Stunden Zeit, um ein Match noch herumzureißen. Beim Springreiten ist es aber so, dass wenn man es in den ersten 20 Sekunden vermasselt, ist es gelaufen und man kann nicht mehr gewinnen.
Aber egal ob es sich um Tennis, Golf oder Springreiten handelt, ich glaube, das Besondere an den Grand Slams und Majors ist die Geschichte, die dahinter steht. Ich bin stolz darauf, einer Generation anzugehören, die Teil der Grand Slams ist. Die Geschichte und die Personen, zu denen man aufschaut, die vielleicht vor 20 Jahren die Grand Slams gewonnen haben, spornen dazu an, es auch zu versuchen und sich den Sieg zu holen, und jetzt kann man tatsächlich selbst antreten und vielleicht auch gewinnen. Schon als Junge war ich ein großer Fan des Springreitens, vor allem in Aachen und Spruce Meadows. Ich habe mir das immer im Fernsehen angeschaut und die Sieger bewundert. Die Tatsache, dass man jetzt ihren Platz einnehmen und selbst eines der Majors gewinnen kann, ist eine richtig große Sache, und das macht es sehr, sehr bedeutsam.
Quelle: Pressemitteilung Rolex Grand Slam
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